Montag, Oktober 24, 2005

Die Ärzte – „Devil“
Endlich: Ein Klassiker wird legalisiert

1984 traten drei blutjunge Kerle erstmals auf die deutsche Musikbühne: Die Ärzte waren geboren. Heute tragen sie stolz den Titel „beste Band der Welt“ zu Markte und sind mit ihren Platten regelmäßig in den Charts vertreten. Ihr Debütalbum hieß ursprünglich „Debil“ und befand sich fast 20 Jahre auf dem Index. Jetzt wird es als „Devil“ noch einmal veröffentlicht.

Bela B., Rod und Farin Urlaub kennt heute wirklich jeder. Doch damals war Rod erst 16 und der Baß wurde noch von Sahnie malträtiert. Im Juni 1987, als die Neue Deutsche Welle über Deutschland hinwegschwappte, wurde „Debil“ dann verboten. Lieder wie „Claudia hat nen Schäferhund“ oder „Schlaflied“ seien „geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren“. Doch den Ärzten schadete das Verbot ihrer ersten Platte kaum – im Gegenteil. Ein Mythos war geboren!

Mittlerweile hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften den satirischen Charakter der Liedtexte erkannt und „Debil“ vom Index genommen. Die Re-Release kommt nun mit schicken Extras daher: Fünf Bonustracks und zwei Videos sowie ein 24seitiges Booklet mit allen Songtexten und einem großartigen Begleittext des Journalisten Ingo Neumayer.

Seit „Debil“ sind viele Jahre ins Land gegangen, Sahnie wurde gegen Rod getauscht und Farin Urlaub trägt Hawaii-Hemden wohl auch nur noch unter Protest. Die Musik und der Ärzte-Kult sind allerdings geblieben. Zum Glück!

Pleitegeiger meint: Ein echter Klassiker, den man sich nun endlich legal ins CD-Regal stellen kann. Songs wie „Zu spät“ haben längst Kultstatus und dürfen auf keiner Party fehlen! „Devil“ ist ein Stück Musikgeschichte – unbedingt kaufen!

Dienstag, Oktober 18, 2005

The Cardigans – „Super Extra Gravity“
Schweden-Pop mit sexy Stimme


In Deutschland wurden The Cardigans erst 1997 durch den Soundtrack zu „Romeo und Julia“ bekannt. Ihr Song „Lovefool“ wird noch heute im Radio hoch und runter gespielt. Doch anstatt sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, veröffentlichten die fünf Schweden mit „Super Extra Gravity“ gerade ihr sechstes Album.

Wer beim Namen der Band sofort seichten Pop à la „Lovefool“ erwartet, wird enttäuscht. Das neue Album bietet kantige, unerwartete Songs mit Tiefgang. Die Arrangements vereinen Gitarrenriffs mit der lasziven Stimme der Frontfrau Nina Persson.

Die erste Singleauskopplung „I Need Some Fine Wine And You Need To be Nicer“ ist rotzig-frech und energiegeladen. Das Eröffnungsstück, „Losing A Friend“, ist bluesig-angehaucht und lebt von der unreinen, fast „dreckigen“ Mischung und dem schrägen Gitarrenklang.
Doch „Super Extra Gravity“ enthält auch wunderschöne, balladesque Stücke wie „Don’t Blame Your Daughter (Diamons)“, das davon handelt, daß jeder selbst die Verantwortung für sein Leben trägt.

Pleitegeiger meint: Ein klasse Album mit der zauberhaft-erotischen Stimme der Frontfrau. The Cardigans beweisen einmal mehr, daß sie weit mehr können als „Lovefool“ vermuten ließ.

Montag, Oktober 17, 2005

„Stealth Soundtrack“ – Various Artists
Rasante Film-Musik und drei neue Incubus-Songs

Derzeit begeistert der actionreiche Pilotenfilm „Stealth – unter dem Radar“ die Kinogänger. Passend zum Film gibt es auch einen actionreichen Soundtrack. Besonders großartig: Er enthält drei bisher unveröffentlichte Songs der Crossover-Helden von Incubus!

Im Film geht es um den Wettkampf zwischen Mensch und Maschine, um die Welt vor einem Atomkrieg zu bewahren. Passend dazu darf auch der Soundtrack etwas härter sein. So reihen sich treibende Songs von Incubus, David Bowie und Kasabian aneinander. Teils eher 80er-Jahre-Pop („She Can Do That“), doch meist Crossover und Gitarrenrock der härteren Gangart. „Dance To The Music“ von Sly & The Family Stone kommt eher groovig daher und erfreut das Herz jedes R’n’B-Fans.

Herausragend sind die drei neuen Incubus-Songs. Für Fans sind sie eine willkommene Abkürzung der Wartezeit bis zum nächsten Album. Der Song „Neither Of Us Can See“ untermalt den Abspann des Films. Es ist das erste Duett des Incubus-Frontmans Brandon Boyd überhaupt. Für diese Premiere hat er sich keine Geringere als die Rock'n'Roll-Legende und Pretenders-Frontfrau Chrissie Hynde ausgesucht.

Pleitegeiger meint: Ein rasanter Film braucht auch einen guten Soundtrack! Bei „Stealth“ ist dies voll und ganz gelungen. Allein die drei neuen Songs von Incubus sind den Kauf schon wert!

Freitag, Oktober 14, 2005

Hape Kerkeling – „Wieder auf Tour“
„Witzischkeit“ kennt doch Grenzen!

Als Komiker und Show-Mensch ist er ein alter Hase – jetzt legt Hape Kerkeling mit „Wieder auf Tour“ sein neues Album vor. Es enthält einen Mitschnitt des gleichnamigen Programms aus Pforzheim sowie An- und Abmoderation als Horst Schlemmer.

Hape ist neben seinem Witz vor allem durch seine Wandelbarkeit (unvergessen sein TV-Auftritt als Königin Beatrix) und seine enormen Sprachkenntnisse bekannt. Letztere stellt er auch auf der aktuellen CD zur Schau. Eine Ansage auf dem Petersplatz in Rom bringt er problemlos in zig verschiedenen Sprachen über die Lippen – und neben den aus seiner Fernsehpräsenz bekannten Figuren des fiesen Journalisten Horst Schlemmer, des schwäbischen Trottels Siggi Schwäbli und der holländischen Sexualtherapeutin Evje van Dampen tritt er unter anderem auch als Marcel Reich-Ranicki und als herrlich tuntiger Homosexueller auf.

Leider kommt der Witz ein wenig zu kurz. Es reicht manchmal zum Schmunzeln, das große Schenkelklopfen bleibt jedoch leider aus. Diverse Gesangseinlagen lockern das Abendprogramm auf – manchmal singt Alleskönner Hape erträglich, teilweise ist es auch einfach nur nervig. So wie auch das „Nee, das glauuub ich jetzt nich’“ seines Klischee-Schwulen irgendwann nervt. Das Live-Publikum lacht an vielen Stellen, deren Witz dem CD-Hörer schlichtweg verborgen bleibt.

Pleitegeiger meint: Hape zu sehen ist oftmals recht lustig. Ihn nur zu hören reicht bei „Wieder auf Tour“ leider nicht für Lachanfälle. „Witzischkeit“ kennt eben doch Grenzen – anders als im Kerkeling-Film „Kein Pardon“ behauptet. Faszinierend bleibt jedoch, wie vielseitig Kerkeling ist und wie viele Sprachen er spricht.

Mittwoch, Oktober 12, 2005

Revolverheld – „Revolverheld“
Größenwahnsinnig – aber gut!

Dreh den Volumeregler auf bis zum Anschlag/
Heut ist Revolverheld im Haus/
das ist Dein Glückstag

Wenn eine Nachwuchsband gleich im ersten Albumtrack derart auf den Putz haut, darf man gespannt sein. Denn wer sich als Erben der Kult-Rocker Guns’n’Roses bezeichnet und laut Band-Homepage auch den Vergleich mit AC/DC nicht scheut, muß ganz schön selbstbewußt sein. Mit dem Album „Revolverheld“ wollen Revolverheld ihren Worten nun Taten folgen lassen.

Die fünf Jungs aus Hamburg sind zwar scheinbar verdammt größenwahnsinnig – aber gleichzeitig auch ziemlich talentiert. Treibende Gitarren und die markige Stimme von Sänger Johannes Strates sind die Markenzeichen der Band. Songs wie „Generation Rock“, „Roboter“ oder „Rock'n'Roll“ sind gut arrangiert und haben einen satten Klang.

Es gelingt Revolverheld nicht, die gitarrenlastige Musik neu zu erfinden. Nur Metal und Rock gibt es dafür schon zu lange. Aber dennoch schaffen es die Hamburger, ordentlich das Haus zu rocken. Und das ist für eine Band, die es erst seit knapp zwei Jahren gibt, schonmal ein ziemlicher Erfolg.

Natürlich dürfen auf „Revolverheld“ auch ruhigere Stücke nicht fehlen. Bekannt ist hier vor allem die aktuelle Single „Die Welt steht still“. Aber auch „Beste Zeit Deines Lebens“ schlägt eher ruhige Töne an.

Pleitegeiger meint: „Revolverheld“ bietet guten deutschen Gitarren-Rock. Das Album ist absolut empfehlenswert – wenn auch der Vergleich mit Guns'n'Roses und AC/DC viel zu weit hergeholt ist.

Freitag, Oktober 07, 2005

Lucylicious - „The Other Side“
Ein Engel wird flügge

Einst war sie Mitglied der Girlband No Angels – nun zeigt Lucy als Teil der Band Lucylicious auf ihrem Debütalbum „The Other Side“ ihre Seite jenseits des Plastikpops. Auf ihrer ersten eigenen CD zeigt sie sich frecher, frischer und weniger massenkompatibel.

Ihre eigenen Songs sind rockiger als ihre Vergangenheit mit den No Angels es vermuten läßt. Folklore-Elemente, Gypsy-Gitarren und arabisch anmutende Trommelwirbel sorgen für Abwechslung. Neben dem fröhlichen Opener „The Other Side“ ragt unter anderem das rockig-kantige „Misunderstood“ hervor. Mit „Overdose“ liefert Lucy eine eingängige Dance-Nummer ab und den großartigen Bonustrack „River Deep, Mountain High“, ein Cover des Tina-Turner-Klassikers, spielte sie live mit den Starboyzz, der Band Grönemeyers, im Studio ein. Das Mikro teilte sich Lucy hier mit ihrer Lebensgefährtin, der DSDS-Zweiten Juliette Schoppmann.

Hilfe für ihr Erstlingswerk holte sich Lucy von erfahrenen Musikern: Produziert wurde sie von Stephan Ullmann – der sonst als Gitarrist mit Größen wie Jule Neigel und Rolf Stahlhofen auf der Bühne steht. Außerdem standen ihr die Grönemeyer-Musiker Alfred Kritzer und Armin Rühl, beide Großmeister ihres Fachs, zur Seite.

Pleitegeiger meint: Ein Engel wird flügge! Mit „The Other Side“ tritt Lucy aus dem Schatten der No Angels und streift den Plastikpop der Vergangenheit ab. Manches klingt noch ein wenig seicht – sie ist jedoch auf dem richtigen Weg.

Culcha Candela – „Next Generation“
Musik, die den Sommer zurückbringt!

Die siebenköpfige Berliner Multi-Kulti-Truppe Culcha Candela durfte schon mit den Söhnen Mannheims touren und sorgte stets dafür, daß das Publikum schon richtig eingegroovt war. Jetzt legen die Jungs mit „Next Generation“ ihr zweites Album vor.

Nicht nur das Line-Up der bunten Truppe ist international – sie singen auch auf Deutsch, Spanisch, Englisch und Patios, dem jamaikanischen Kreolenslang. Dieser Sprachmix paßt hervorragend zum unvergleichlichen Culcha-Sound, einem Mix aus Dancehall, Hip-Hop und Reggae. Die Songs machen einfach gute Laune und Lust, das Tanzbein zu schwingen. Das Album wurde fast komplett eingespielt, dadurch bekommt die Musik eine besondere Dynamik.

Heraus kommen Stücke wie der mehrsprachige Salsa-Reggae-Hip-Hop-Mix „Mother Earth“, bei dem man nur schwer stillstehen kann. Auch der Text hat es in sich, er ist eine Entschuldigung an Mutter Erde für die Umweltverschmutzung. Auch „More Peace“ fordert mit treibenden Beats eine bessere Welt und vermittelt echtes Karibik-Feeling.

Pleitegeiger meint: Die Musik von Culcha Candela klingt so relaxt, exotisch und groovy – sie holt selbst beim schlimmsten Schmuddelwetter den Sommer zurück!

Bon Jovi – „Have A Nice Day“
Macht mehr als nur einen Tag lang Spaß!

Nur wenige Bands sind schon so lange international erfolgreich wie die Mannen um Jon Bon Jovi. Mit „Have A Nice Day“ kommt nun endlich das neue Album auf den Markt.

Nach den Alben „Crush“ (eher poppig) und „Bounce“ (sehr viele Balladen) besinnen sich die vier aus New Jersey jetzt wieder auf ihre Wurzeln und liefern guten, ehrlichen Gitarren-Rock. Gleich die Single-Auskopplung „Have A Nice Day“ löst sich von den weichgespülten Balladen vergangener Bon-Jovi-Alben und verarbeitet angenehm rockig-gitarrenlastig die Enttäuschung über den Ausgang der letzten US-Präsidentschaftswahlen. Die Aufforderung „Have A Nice Day“ klingt so eher trotzig und spöttisch als nett gemeint.

Richtungsweisend sind außerdem die neue Version des Klassikers „Last Man Standing“, die mit sehr viel Drive daher kommt und „Last Cigarette“, das langsam anfängt, sich dann aber schnell zu einem echten Up-Tempo-Ohrwurm entwickelt.

„Have A Nice Day“ ist ein rundum gelungenes Werk. Das Songs wurden fast ausschließlich von Jon Bon Jovi und seinem Leadgitarristen Richie Sambora geschrieben. Die beiden haben mal wieder ganze Arbeit geleistet und machen Lust auf die kommende Europa-Tour.

Pleitegeiger meint: Ein großartiges Bon-Jovi-Album. Schöner Gitarren-Rock für mehr als nur einen netten Tag.

Donnerstag, Oktober 06, 2005

Louie Austen – „Heaven’s Floor“
Von der Hotelbar in die Clubs dieser Welt

Louie Austen ist ein charmanter Wiener. Immer gut gekleidet, nie ohne Hut – und gerngesehener Gast in den Clubs dieser Welt. So weit nicht besonders ungewöhnlich. Außer vielleicht, wenn man sein Alter kennt: Louie Austen ist immerhin schon 59 und legt mit „Heaven’s Floor“ gerade seine neue CD vor.

Seine Karriere begann er als Musiker in Hotelbars. Der Legende nach haben seinetwegen Größen wie Frank Sinatra, Harry Belafonte und Joe Cocker die Zeit vergessen und ihren Anschlußtermin versäumt. Heute ist er selbst ein Großer – und doch einzigartig. Geprägt von der Glitzerwelt Las Vegas’ und New Yorks vermischt er heute Blues, Jazz und Clubsounds zu einem unvergleichlichen Musik-Cocktail.

Der Song „Heaven (Is In The Backseat Of My Cadillac)“ wird sicherlich seinen Weg auf die Tanzflächen dieser Welt finden. Dancefloor-Beats und die lässige Stimme des ewigen Gentleman Louie Austen erwecken die Erinnerung an durchtanzte, laue Sommernächte. Der leicht anzügliche Text tut sein übriges...

Live verfällt Austen manchmal in alte Gewohnheiten und beweist als Frank-Sinatra-Double, daß er nicht nur als Dancefloor-Knaller eine Wucht ist.

Pleitegeiger meint: „Heaven’s Floor“ ist eine coole Scheibe für heiße Nächte. Und Louie Austen beweist wieder einmal, daß man im Musikgeschäft mit 59 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehören muß.